Die strategischen Antworten Europas

Janis A. Emmanouilidis, Almut Metz, Werner Weidenfeld

C·A·P Analyse, 4/2006

Munich 10/2006

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Europa hat zwei Gesichter. Es gab Zeiten, da waren die Europäer vom Wunder der Integration verzaubert. Nach Jahrhunderten leidvoller Erfahrung kriegerischer Gegnerschaften, nach imperialen Verwüstungen, nach nationalistischen Eruptionen hatten die Völker des Kontinents den inneren Hebel gleichsam komplett gewendet. Diese europäische Erfolgsgeschichte setzt sich heute fort. Gleichzeitig aber erscheint die Erfolgsgeschichte Europas gegenwärtig wie die Beschreibung einer entfernten Epoche. Die Rückkehr nationaler Egoismen und eine Erosion der Zustimmung prägen vielfach die Wahrnehmung der Europäischen Union.

In dieser Situation ist es hilfreich, das eigentliche Kernproblem der Integration in den Blick zu nehmen: das konzeptionelle Schisma zwischen den Mitgliedstaaten. Unvereinbare Perspektiven über die Zukunft des Kontinents prallen aufeinander. Vordergründig wird um Vertragstexte gestritten, im Kern geht es jedoch um antagonistische Zukunftsfixierungen. Ohne die Verständigung über die künftige politische Ordnung des Kontinents könnte das Europa der 25 und bald mehr Staaten erodieren, möglicherweise sogar zerfallen. Solange dies nicht offen angesprochen wird, kann es keine positive Klärung der Problemlage geben.

Die zentrale strategische Frage zur Zukunft der EU bleibt bis heute unbeantwortet: Wozu neue Anstrengungen unternehmen, warum neue Kräfte mobilisieren? Die Antwort auf diese Frage liegt in den neuen Konstellationen und Bedingungen der Weltpolitik: Es geht um die künftige Gestaltungskraft Europas in einer neuen globalen Ordnung. Die Zukunft Europas wird zunehmend durch Entwicklungen außerhalb des alten Kontinents entschieden. Es droht die Gefahr einer schleichenden Marginalisierung Europas. Europa muss nicht nur auf diese Entwicklungen reagieren, es hat vielmehr das Potenzial, die Regeln der neuen ökonomischen und politischen Weltordnung nach seinen Vorstellungen mitzugestalten.

Die Gestaltungsfähigkeit Europas und die Zukunft des europäischen Kontinents werden sich an der Frage entscheiden, ob es den Europäern gelingt, die "europäische Antwort" so zu erneuern, dass sie zukunftsfähig wird. Die Neubegründung Europas erfordert, dass sich der Kontinent nach innen sowie nach außen behauptet und sich gegenüber seinen Bürgern erklärt und rechtfertigt.


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