"Russland für Athen keine Alternative zur EU"

Marcel Burkhardt, heute.de, 08.04.2015

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Wendet sich Athen von Brüssel ab und sucht ein Bündnis mit dem Kreml? Der Besuch von Tsipras in Moskau sorgt für Unruhe. Doch Athen würde "eine rote Linie überschreiten, wenn es mit Geld aus Moskau seine Schulden begleichen würde", sagt EU-Politikberater Janis Emmanouilidis im heute.de-Interview. 

heute.de: Den Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Moskau beobachten viele EU-Politiker kritisch bis argwöhnisch. Wie ist Ihre Sicht der Dinge?

Janis Emmanouilidis: Zunächst einmal ist das ein Versuch der neuen griechischen Regierung, das Verhältnis zwischen Athen und Moskau zu stärken. Tsipras erhofft sich Investitionen und russische Unterstützung im Energiebereich und im Tourismus. Aber ich gehe davon aus, dass es ihm nicht darum geht, eine Alternative zur EU-Partnerschaft aufzubauen, sondern dass er sehr wohl weiß, dass Moskau die Hilfe der europäischen Partner sowie des Internationalen Währungsfonds nicht kompensieren kann.

heute.de: Politiker in Brüssel und Berlin warnen aber davor, dass Russlands Präsident Wladimir Putin mithilfe der Griechen einen Keil in die EU treiben könnte. Was halten Sie von diesem Szenario?

Emmanouilidis: Diese Befürchtung ist in gewisser Weise nachvollziehbar, weil wir wissen, dass Präsident Putin versucht, seinen Einfluss innerhalb der EU auszuweiten, um etwa die Sanktionsfront gegen Russland aufzubrechen. Aber Griechenland ist kein Sonderfall, kein "trojanisches Pferd", mit dessen Hilfe Putin die EU aufmischt. Es gibt auch andere Staaten wie Ungarn, die Slowakei oder Italien, die eine besondere Beziehung zu Russland pflegen - nicht zuletzt auch Deutschland. Und Tsipras ist nicht der einzige Regierungschef eines EU-Mitgliedsstaats, der zu bilateralen Gesprächen nach Moskau reist.

heute.de: Nirgendwo in der EU ist die finanzielle und wirtschaftliche Not aber so extrem wie in Griechenland. Da ist es doch nachvollziehbar, dass viele Kommentatoren vor einem Kurswechsel der Griechen oder einer neuen "Athen-Moskau-Achse" warnen, oder?

Emmanouilidis: Ich denke, der griechischen Regierung ist bewusst, dass sie in der EU eine rote Linie überschreiten würde, wenn sie mit Geld aus Moskau ihren Gläubigern die Schulden begleichen würden. Ich halte es nicht für realistisch, dass Tsipras mit einem Milliardenscheck aus Moskau zurückkommt und die EU-Partner auf diese Weise verprellt. Selbst wenn Putin die Idee gefallen sollte: Aufgrund der Konfrontation mit der EU und den USA und den daraus resultierenden Sanktionen ist Russland finanziell selbst unter Druck. Athen massiv zu untersützten, ist für Moskau aktuell äußerst schwierig. Zudem wären auch russische Kredite an harte Bedingungen geknüpft.

heute.de: Harte Bedingungen stellt inzwischen auch die EU. Unzufrieden ist Brüssel vor allem beim Thema Reformen. Wie steht es um den Willen der griechischen Regierung, das Land zu modernisieren?

Emmanouilidis: Wir müssen da unterscheiden zwischen den aktuellen Verhandlungen und dem Reformprozess insgesamt. Zu ersterem: Ja, es ist zäh, und ja, es dauert. Das hängt damit zusammen, dass es eine sehr junge und unerfahrene Regierung ist, die unter erheblichen Druck steht. Aber ich sehe eine Lernkurve, die nach oben zeigt. Die Reformvorschläge werden konkreter und quantifiziert. Ich denke, Athen und Brüssel werden da in den nächsten Wochen zu Kompromissen kommen. Zum zweiten Punkt: Griechenland befindet sich seit Jahren in einem radikalen Transformationsprozess, einem ökonomischen und einem politischen. Dieser Prozess wird noch lange anhalten. Ich glaube, man sollte dieser neuen Regierung eine Chance geben, sich noch zu beweisen.

heute.de: Gerade das Verhältnis zwischen Berlin und Athen hat in den vergangenen Wochen gelitten. Nun hat Griechenland erstmals seine Forderungen hinsichtlich Entschädigung für Verbrechen während der NS-Zeit beziffert: Deutschland schulde Griechenland 278,7 Milliarden Euro. Was waren Ihre Gedanken, als Sie davon gehört haben?

Emmanouilidis: Ich glaube, dass sich beide Seiten hinsichtlich dieses äußerst heiklen Themas zusammensetzen sollten. Eine unabhängige, internationale Expertenkommission könnte dabei helfen, das Geschehene historisch im Detail aufzuarbeiten. Auf dieser Grundlage könnte in einem nächsten Schritt über das weitere Vorgehen beraten werden. In keinem Fall sollten die aktuellen Verhandlungen zwischen Griechenland und den europäischen Partnern mit der bilateralen Frage der Entschädigungsforderungen verbunden werden.

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